Weihnachtsbaum mit der Weihnachtsgeschichte
Mein Leben, Meine Auszeit

Licht am Ende des Tunnels – BADER Weihnachtsgeschichte Teil 2

„Ich … es tut mir leid. Ich sollte nicht immer mit dem Kopf durch die Wand und …“

Nils gab darauf keine Antwort. Aber lange hielt es ihn nicht mehr auf seinem Platz. „Ich geh Mama nach. Kinder, ihr bleibt bitte hier, ja?“ Und schon war er weg.

Die beiden saßen da. Menschen um sie herum starten ins Leere, hatten die Augen geschlossen oder waren aufgestanden, um die eingeschlafenen Beine zu strecken. Herr Brookmann aus dem Zugteam kämpfte sich durch den Wagen und strebte in Richtung des vorderen Zugteils. Jonas schaute ihm nach.

„Ich hab’ keinen Bock mehr! Nur hier rumsitzen ist doch blöd. Komm, wir hauen auch ab!“

„Abhauen? Aber Papa hat doch gesagt…“

„Komm schon, du Angsthase! Papa kommt eh lange nicht wieder … und Du willst doch bestimmt mal die Lokomotive von innen sehen, oder?“

„Die Lokomotive?“

„Ja, da wo der Lokführer sitzt.“

„Aber, da dürfen wir doch bestimmt nicht rein …“

„Ach, Quatsch! Wir fragen den Schaffner, der gerade durchgegangen ist.“

„Ich weiß nicht …“

„Jetzt komm! Nur vom Rumsitzen sind wir auch nicht früher bei Oma und Opa … es dauert doch auch nicht lange. Bevor Mama und Papa zurückkommen, sind wir wieder da.“

„Mmh … na, gut.“

Und schon waren sie unterwegs im überfüllten Zug. Herr Brookmann war noch am Ende des Wagens und versuchte, eine Gruppe Rentner aus Wuppertal zu beruhigen.

Währenddessen hatte Nils Carolin gefunden. Sie stand im Bord-Bistro und rührte an einem verschmierten Stehtisch in ihrem schwarzen Kaffee.

Nils stellte sich dazu. Sie schaute in ihren Kaffeebecher.

„Hi!“, sagte er.

„Hi!“, sagte sie leise.

„Ich … es tut mir leid. Ich sollte nicht immer mit dem Kopf durch die Wand und …“

„Oh, Nils! Es geht doch nicht nur darum!“ Kaffee schwappte über. „Mist!“

Nils reichte ihr ein Taschentuch. Sie wischte den Kaffee auf.

„Worum geht es dann?“

„Du … du setzt dir immer in den Kopf: Wir machen ein schönes, großes, besonderes Weihnachten, mit ganz viel Urlaub und Wegfahren und Besuchen und Geschenken und … und wir stehen dann da, alle voll im Stress und müssen mitziehen bei deinem GROßEN, TOLLEN WEIHNACHTEN …“

„Ja, aber ich dachte, dass wäre auch das, was ihr wollt …“

„Nein! Ich hätte viel lieber mal ein kleines, tolles Weihnachten. Nichts Besonderes, aber etwas Schönes … und deshalb Besonderes. Weißt Du, nur wir vier …“

„Ja …“, begann Nils.

„HO-HO-HO“, unterbrach ihn eine laute Stimme. „Wollt’ ihr ’n Nikolaus?“, fragte ein großer, untersetzter Bahnmitarbeiter mit roter Nikolausmütze und einem Korb voller kleiner Schokoladen-Weihnachtsmänner. „Mit’m bisschen Schoki vergeht die Zeit schneller und der Zug fährt bestimmt gleich wieder los.“

„Nein, danke!“, war Nils’ erste Reaktion. „… oder, Moment, wir nehmen zwei für die Kinder.“

„Hier, bitte! Dann noch frohe Weihnachten, ne!“

„Halt!“, das war Carolin. Sie nahm Nils’ Hand und lächelte den Bahnbediensteten an. „Wir brauchen bitte noch zwei.“

„HO-HO, nochmal zwei?“

„Ja, … wir sind zu viert in unserer Familie.“

Hand in Hand verließen sie kurz darauf das Bord-Bistro und schlängelten sich durch die Menschenmassen in und zwischen den Wagen bis zu ihrem Platz.

Carolin sah die vier leeren Plätze zuerst: „Du, Nils, die Kinder sind weg!“

„Kinder, ich sag euch doch, das wir das nicht dürfen.“

„Oh, bitte!“, sagte Emily.

„Der Zug könnte jeden Moment wieder losfahren und dann muss der Lokführer sich sehr konzentrieren und darf nicht von Besuchern gestört werden.“

„Aber im Moment stehen wir doch noch … könnten Sie nicht wenigstens fragen?“, bat Jonas.

Sie hatten Herr Brookmann vom Zugteam eingeholt und waren direkt mit ihrem Anliegen herausgerückt. Der war zwar froh gewesen, die Rentnergruppe wieder los zu sein, sah sich jetzt aber einem ganz anderen Problem gegenüber.

„Ich … na, gut.“ Herr Brookmann ging an sein Funkgerät und sprach direkt mit dem Lokführer. „Ja, hier Brookmann … ja, … nein. Hier stehen zwei Kinder, die wollen … ja, ja, hab ich Ihnen auch gesagt … aber könnten wir nicht eine Ausnahme machen, solange der Halt noch andauert … ist doch auch Weihnachten … ja? Ja, super! Danke! Ich bringe sie gleich vor.“

„Also, geht in Ordnung … dann mal mitkommen die Herrschaften!“, schmunzelte Herr Brookmann.

Strahlend folgten ihm die beiden. Kurz darauf standen sie tatsächlich im Lokführerstand und durften einem recht jungen Mann über die Schulter schauen. Der funkte und drückte und schaltete zwar recht häufig, aber der Zug bewegte sich immer noch nicht. Dafür hatte er mehr Zeit etwas zu erklären. Am Ende durften beide sogar kurz neben ihm auf dem Sitz Platz nehmen. Glücklich und zufrieden kehrten sie in Begleitung von Herrn Brookmann an ihren Platz zurück.

„Siehst Du, Mama und Papa sind noch nicht wieder da. Habe ich dir doch gesagt.“

„… hast Du in den Toiletten im nächsten Wagen auch geschaut“, hörten sie Carolins Stimme vom anderen Ende des Wagens.

„Ja, habe ich, aber da waren sie nicht. Ich weiß doch auch nicht … ach, … guck dir das an!“

„Wo wart ihr denn bloß?“, rief Carolin, stürzte auf die Kinder zu und umarmte sie stürmisch. „Ihr könnt doch nicht einfach so verschwinden!“

„Wir …“, begann Jonas.

„Wieso, habt ihr doch auch gemacht!“, sagte dafür Emily mit verschränkten Armen.

Betreten schauten sich Carolin und Nils an.

„Wir waren vorne beim Lokführer“, sagte Jonas, jetzt wieder mutiger geworden.

„Es war ganz toll“, strahlte Emily.

„Aber, trotzdem … ihr könnt doch nicht einfach …“

„… aber“, meldete sich jetzt Herr Brookmann. „Die Kinder waren die ganze Zeit mit mir zusammen unterwegs, also unter Aufsicht.“

Das beruhigte Carolin etwas. Sie drückte die Kinder noch mal fest an sich. Nils streichelte allen drei über die Köpfe.

„Kommt, setzt euch! Papa und ich haben noch was Süßes für uns alle“, sagte Carolin.

„Wo ist es?“, fragte Jonas.

„Hier, in meiner … Hosentasche, oh“, machte Carolin enttäuscht und förderte vier ziemlich angeschmolzene und zerdrückte, kleine Weihnachtsmänner zutage. „Tut mir leid!“

„Ach, macht doch nichts! Schmeckt auch so.“ Nils küsste sie.

„Danke … aber bitte nicht mehr streiten ab jetzt!“, ermahnte Emily.

„Versprochen!“, sagten Nils und Carolin wie aus einem Mund.

„Merkt doch mal!“, rief da Jonas, „wir fahren ja wieder … oh, was ist das?“ Draußen rauschte und rumpelte es seltsam.

„Das ist nur ein Tunnel, aber keine Sorge, da ist man schnell wieder durch“, sagte Herr Brookmann und wandte sich zum Gehen. „Also, tschüss zusammen … und frohe Weihnachten!“

„Ja, frohe Weihnachten euch!“, wünschte auch Emily ihrer Familie. Zufrieden lächelnd lehnte sie sich dann in ihrem Sitz zurück.

– E N D E –