BADER erzählt die Weihnachtsgeschichte Teil 2
Mein Leben, Meine Auszeit

Festtagsstau – BADER Weihnachtsgeschichte Teil 2

Thomas hatte keine Ahnung wohin oder wie weit er gehen sollte. Auf seinem Weg zwischen Leitplanke und stehenden Autos wurde ihm bewusst, wie viele Menschen hier unterwegs waren…

Festtagsstau – BADER Weihnachtsgeschichte Teil 2

Währenddessen hatte Thomas keine Ahnung wohin oder wie weit er gehen sollte. Auf seinem Weg zwischen Leitplanke und stehenden Autos auf der linken Spur hindurch, wurde ihm bewusst, wie viele Menschen hier unterwegs waren. Wegen der Kälte waren jetzt alle Ausgestiegenen zwar wieder eingestiegen, aber einige hatten die Fensterscheiben oder Türen einen Spalt weit geöffnet. So konnte er im Vorbeigehen einiges mithören. Die ganze Welt stand hier im Stau: Familien mit quengelnden oder schreienden Kindern, stumm dasitzende, ältere Paare, streitende, jüngere Paare (hier musste er gegen seinen Willen grinsen), Berufspendler, die auf ihr Handy starrten, und unzählige LKWs mit übermüdeten und einsamen Fahrern. In einem Auto hielt sich ein Paar eng umschlungen und lauschte kuschelnd den Weihnachtsliedern im Radio. Thomas schaffte es noch gerade, wegzusehen und weiterzugehen, bevor sie ihn noch bemerkten … in einem dunkelgrauen Kombi weiter vorn wurde sogar gesungen, eine Familie von vieren, und sie sangen! Thomas blieb stehen. Tochter und Sohn auf dem Rücksitz sahen ihn, lächelten und winkten. Die Mutter am Steuer lächelte ihm auch zu, zeigte auf die schier endlose Schlange stehender Autos vor ihnen und hob schicksalsergeben beide Arme. Der Mann auf dem Beifahrersitz füllte ihr und sich Kaffee in Becher und prostete Thomas mit seinem zu. „Wollen Sie auch einen? Ist doch so kalt draußen?“, sagten seine Gesten. Thomas schüttelte lächelnd den Kopf, legte die Hände zusammen und verbeugte sich leicht. Dann winkte er der Familie und wandte sich zum Gehen. Alle vier winkten zurück und stimmten dann ein neues Lied an. Laut, schräg, aber wundersam harmonisch begleitete ihn der Gesang auf den ersten Metern seines Rückwegs. Jetzt wusste er wieder ganz genau, wo er hinwollte. Er ging schneller.

Natalie war inzwischen auch ausgestiegen. Sie machte sich Sorgen, weil Thomas nicht zurückkam. Unschlüssig blieb sie im immer stärker werdenden Schneefall neben dem Auto stehen. Sie fror. Sollte sie wirklich hinterher gehen und das Auto mit allen Geschenken darin zurücklassen? – „Hallo, wollen Sie Kaffee?“, hörte sie da eine raue Stimme neben sich. Sie drehte sich um und sah, dass der LKW-Fahrer neben ihr das Fenster heruntergelassen hatte und sie freundlich anlächelte. „… Tee habe ich auch!“ Natalie zögerte. „… na, kommen Sie! Einfach drüben einsteigen. Ist doch so kalt draußen! … keine Angst, abhauen können wir nicht zusammen, zu viel Stau!“, sagte er und lachte wieder. Natalie hielt noch einmal nach Thomas Ausschau, dann rief Sie: „Einen Moment, bitte!“ Rasch ging sie zum Auto und holte Autoschlüssel und Handtasche. Darin war auch ihr Handy, falls er anrufen würde.

Der LKW-Fahrer hielt ihr von drinnen die Beifahrertür auf. „So, hier drinnen ist doch wärmer … gefällt Ihnen meine Weihnachtsbeleuchtung, ist schön oder?“, fragte er mit einem Augenzwinkern, als er bemerkte wie Natalie sich umsah. „Naja“, begann Natalie, „wenn es Ihnen so gefällt …“ – „Kaffee oder schwarzen Tee?“, fragte er und hielt zwei Thermo-Flaschen hoch. „Dann lieber Tee.“ – Er reichte ihr einen Becher und goss sich noch Kaffee in seine Tasse. Darauf war ein Rentier mit einer roten Nase. „Lustiger Becher, oder?“, grinste er. Natalie lächelte pflichtbewusst und trank einen Schluck. „Ich bin Krzysztof“, sagte er und reichte ihr die Hand. „Sagen Sie ruhig Christoph. Ist einfacher.“ – „Natalie“, sagte Natalie. – „Ich bin aus Polen“, sagte Krzysztof. „Meine Familie ist in Kraków und feiert Weihnachten … tja, und ich bin hier auf der deutschen Autobahn.“ Natalie pustete auf Ihren Tee und schaute ihn von der Seite an. Sein trauriger Blick ging durch die Frontscheibe, durch den Schneefall, über die Autos in Richtung des dunklen Horizonts. Er sah jetzt müde und traurig aus. – „Aber … könnte man bei deinem Arbeitgeber nicht … ich meine, müssten sie dir nicht frei geben, weil Du Familie hast?“ Ihr Blick fiel auf ein gerahmtes Foto, dass Krzysztof direkt hinter dem Lenkrand zwischen Frontscheibe und Armaturenbrett geklemmt hatte. Auf einem Wohnzimmerteppich saß er dort mit Zwillingsmädchen auf dem Schoß und seiner Frau daneben mit einem Baby auf dem Arm. – „Geht nicht, dieses Jahr, hat Chef gesagt. Du musst die Fahrt machen und noch eine Fahrt und dann noch eine, hat er gesagt. Nächstes Jahr wird bestimmt besser!“ – „Hat er dir das versprochen?“ – „Nein, das hoffe ich.“

Natalie schwieg betroffen. So weit weg von denen, die man liebt, und das an Weihnachten … „aber, deinen Spaß am Weihnachten feiern, hast Du dir noch nicht nehmen lassen, wie ich sehe“, sagte sie, um ihn aufzumuntern und wies auf die bunte Weihnachtsdeko um sie herum. „Ja“, sagte er und lächelte schon wieder. „Macht ja auch Spaß. Und meine Frau sagt: Müssen wir Beste draus machen. Und Töchter sagen: Tata, nimm Weihnachten mit im LKW. Dann denkst Du an uns und bist nicht so allein … tja, und Tata, also Papa, widerspricht seinen Töchtern nicht …“ Er lachte und Natalie lachte mit.

Jetzt drehte er die Musik lauter. „Wenigstens schöne Musik im Radio“, und er summte die Melodie mit. Natalie nippte an dem heißen Tee und dachte an Thomas und ihren Streit. Dann sah sie zum inzwischen mitsingenden Krzysztof hinüber und dachte: „… und wir gehen uns hier schier an die Gurgel wegen so ’nem Kleinkram!“ – Krzysztof hatte eine Flasche aus einem Fach im Boden hinter seinem Fahrersitz geholt und den Deckel abgeschraubt. „Radio sagt: Stau dauert noch mindestens zwei Stunden. … magst Du auch Vodka?“ – „Ich … ach, warum nicht. Aber nur einen kleinen, ja?“ – „Natürlich“, sagte Krzysztof fröhlich. „Ich muss ja auch noch fahren“, lachte er und füllte ihr und sich ein Gläschen ein. Sie tranken. Der Vodka machte das Gesicht warm. „Ah“, machte Krzysztof. „Ist gut oder?“ Dann ließ er den Blick nach draußen über die Autos wandern. „… Natalie, da kommt der richtige Mann für dich!“ und zeigte auf einen jungen Mann, dessen Kopf und Jacke mit Schnee bedeckt waren und der langsam das leere Auto auf der linken Spur direkt neben ihnen umrundete. „Thomas!“, rief Natalie und sprang aus dem LKW. „Thomas, hier drüben!“ Sie rannte auf ihn zu. Er blickte sie verdutzt an. „Woher? … ich meine …“, da war sie schon bei ihm. Sie nahm sein rot gefrorenes Gesicht in beide Hände und küsste ihn. Er lächelte erleichtert. “… ich, es tut mir so leid“, sagte er. – „Mir auch“, sagte sie. „Fahren wir morgen zu meinen Eltern?“ – „Ja, klar, das steht doch schon lange …“ – Sie küsste ihn wieder. – „Mir ist, glaube ich, einiges klar geworden.“ – „Ja, mir auch … aber, sag mal, hast Du getrunken?“ – „Nur Tee, eigentlich.“ – „Aha …“ – „Frohe Weihnachten, Du Idiot!“, sie küsste ihn wieder und grinste schelmisch. „Ja, frohe Weihnachten!“ – Natalie nahm seine Hand: „… komm mit, ich möchte dich jemandem vorstellen.“

– ENDE –